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Wir hatten draußen geschlafen. Unter einem hoch aufgespannten Tarp, welches aus mehreren Planen zusammengefügt worden war. Wir hatten viele Rentierfelle zur Verfügung gestellt bekommen und wählten uns die Nacht zuvor welche aus, auf denen wir gut mit unseren Schlafsäcken raufpassen würden. Lockerer Waldboden, von schwarzbärener Farbe und bestäubt von Fasern, Blättern, Ästchen...eine Schicht glatten, weichen Rentierfells und darauf wir in unseren Daunenschlafsäcken, eines unserer wichtigsten Ausrüstungsstücke. Die Rucksäcke am Kopfende zu einem kleinen Haufen drapiert und eine Jacke oder Pullover als Kopfkissen geknetet. Weiter nichts. So lagen wir da und haben friedlich und beseelt geschlafen in der Nacht. Nach Sami-Geschichten, Baumpilztee und Biberschwanz am Lagerfeuer hoch oben an den Felshängen, die rundherum aus dem schwarzen See hinausragen.
Ich vermute das Licht hat mich aufwachen lassen. Scheinbar als eine der Ersten im Camp der Wildnisschule Naturliv. Noch kann ich niemanden sonst sehen oder hören. Wir waren gestern kurz nach Sonnenuntergang vom Auto losgegangen, zusammen mit einer Freundin, die uns abgeholt hatte und uns somit den Weg ins versteckte Camp zeigen konnte. Direkt auf den ersten Schritten bogen wir ab ins Unterholz und haben uns querwaldein voranbewegt. Mit jedem Meter schwand das restliche Tageslicht mehr und mehr. Als wir das Gelände erreichten, war gerade noch genug davon übrig geblieben, um die Umrisse des mystisch anheimelnden "Arc"s zu erkennen. Sie erklärt uns, dass dies der Eingang zum Camp sei. Er wurde aus starken Ästen geformt und bildet einen zusammenhängenden Bogen, durch den man hindurchgehen kann. Wie durch ein Tor in eine andere Welt. Mir gefällt das sofort.


Ich fühle mich schnell unwohl, wenn ich an einen mir neuen Ort komme und es bereits dunkel ist. Zu dunkel, um einen Überblick zu bekommen. Zu dunkel, um möglichst viel mit den Augen zu entdecken. Zu dunkel, um sich gut zurechtzufinden oder die Menschen im matten Schein des Feuers wirklich erkennen zu können. Umso mehr freue ich mich nun im vollen Tageslicht zu sein. Nun ist alles sichtbar und strömt auf mich ein. Noch in meinem Schlafsack sitzend lasse ich die Farben um mich herum wirken. Und die Strukturen. Und schon in wenigen Augenblicken bin ich begeistert. Kaum eine gerade Fläche. Wildheit. Sandsteinbrocken, die die Landschaft genauso formen, wie die Bäume und Sträucher. Viel Kraut ganz nah am Boden wachsend. Saftiges und frisches Grün. Und raues Grau und sprödes Braun. Und leichtes, sanftes Blau am Himmel, in der Luft. Dazwischen die hoffnungsvollen Farbsprenkel der Blüten, Beeren und Früchte. In Blau, Rot und Violett.
Manchmal ist er da. Dieser Sog. Dieser Ruf, der mich mit dem ersten Aufschlag meiner Augen zu Beginn des neuen Tages lockt. Ich mache sie auf und weiß es: "Ich muss raus. Ich muss los. Ich werde draußen gewünscht. Im Wald. In der Natur. Im Tag." Und so auch an diesem Tag im August irgendwo in Schweden. Ich spüre beinah körperlich, wie mich ein riesiger Magnet aus meinem Schlafsack holt, aufstehen lässt und losgehen lässt. Meine Stimmung und meine Mundwinkel zieht er auch mit nach oben. Ich schreite einen Trampelpfad entlang und übergebe mich der Natur. Immer wieder halte ich an, um mir Pflanzen oder Insekten von ganz Nahem anzuschauen, auf der Haut zu spüren. Eine Ruhe macht sich breit, im Außen und im Innen.


Es zieht mich zum Wasser runter. Ich möchte eine Stelle finden, an der man bis ans Wasser kommt ohne Springen oder waghalsig über den Fels klettern zu müssen. Ich wate, meiner Intuition folgend, durch dichte Sträucher und Gräser und nehme viel Morgentau und den ein oder anderen Spinnfaden mit. Schnell sehe ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es wird steiler und der Boden stellenweise sehr locker. Ich gehe nun nicht mehr, sondern lasse mich seitlich Schritt für Schritt weiter absinken. Hier und da kommen auch die Hände haltgebend dazu. Dann endlich stehe ich direkt am Ufer. Einen kleinen Schritt weiter und ich stünde im Nassen. Es ist so schön hier. Die Sonne scheint stark und lässt die Oberfläche des Sees glitzern und noch viel mehr Tänzeln und Hüpfen. Es scheint kein stiller See zu sein. Da bewegt und schwimmt und wellt sich sehr viel. Ich setze mich an einen Baumstumpf und genieße. Versuche alles in mich aufzusaugen und mich mit der Umgebung, der Atmosphäre und dem Gefühl zu verbinden. Diesem Gefühl, dass alles richtig so ist. Alles passt wie es passt und ich bin am richtigen Ort. Zur richtigen Zeit und mit der richtigen Einstellung. Kohärenz. Ich fühle mich angekommen. Hierhin hat es mich gezogen. Neben der Freude und der Ruhe spüre ich nun auch die große Dankbarkeit aufkommen. Neben der Schönheit der Umgebung und des Moments, vor allem für diesen Sog. Diese starke, beinah magische, Anziehungskraft. Dies gehört für mich zu den Dingen, die mir persönlich versichern, dass es mehr gibt. Zwischen Himmel und Erde, und darüber hinaus.


Diesen Wald habe ich nicht alleine gefunden. Meine Gedanken wandern zurück zum Camp und den Menschen. Ich habe große Lust Philipp diesen Platz am See zu zeigen und schwimmen zu gehen, was ich als große Chance sehe, da ich üblicherweise wenig Lust verspüre in eiskaltem Wasser zu baden. Ich frage mich, ob er noch schläft oder auch schon aufgewacht ist und sich nun fragt, wo ich sei. Ich trete den Rückweg an und steuere zielsicher auf unser Nachtlager zu. Er scheint gerade am Aufwachen zu sein. Ich erzähle von meinem morgendlichen Entdeckungsspaziergang und dieser tollen Badestelle. Zusammen gehen wir los und gelangen auf dem, mir nun schon vertrauterem, Weg an den Ort, von dem ich heute morgen geweckt, gerufen und beschenkt worden bin. Ich hatte mich nicht geirrt. Es war eine wunderbare Stelle zum Schwimmengehen und wir hatten einen schönen kraftvollen Start in den neuen Tag.
Wer oder was auch immer mich an diesem, und auch anderen, Morgen gelockt hat - vielleicht ist genau das "Meine Kraft der Natur".


Impulse für deine eigenen Streifzüge durch äußere und innere Landschaften
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